Nasrin Sotoudeh (Iran)

... für ihr furchtloses Engagement, unter hohem persönlichem Risiko, zur Förderung politischer Freiheiten und der Menschenrechte im Iran

Nasrin Sotudeh ist eine iranische Rechtsanwältin, die sich unter dem repressiven iranischen Regime für Rechtsstaatlichkeit und die Rechte von politischen Gefangenen, oppositionellen Aktivistinnen und Aktivisten, Frauen und Kindern einsetzt. Derzeit verbüßt sie für ihren Widerstand gegen das drakonische Rechtssystem des Landes eine lange Haftstrafe. Trotz ihrer Inhaftierung und ständiger Drohungen gegen ihre Familie bleibt Sotudeh eine unbeugsame Verfechterin der Rechtsstaatlichkeit.

Unter der drakonischen iranischen Führung werden Menschenrechte und politische Opposition stark eingeschränkt. Besonders Frauen leiden wegen der strengen Auslegung des islamischen Gesetzes unter massiver Unterdrückung und Einschränkungen. Trotz pro-demokratischer Proteste in den letzten Jahren und heftiger internationaler Kritik an der Menschenrechtslage bleibt der Iran eines der repressivsten Regimes der Welt.

Sotudeh erlangte erstmals 2009 in Folge der Proteste gegen die Regierung nach den Präsidentschaftswahlen, der sogenannten „Grünen Revolution“, größere Bekanntheit. Sie verteidigte vor Gericht mehrere Aktivistinnen und Aktivisten, die während des aggressiven Vorgehens der Regierung gegen die Demonstrationen verhaftet worden waren, darunter Heshmat Tabarzadi, den Anführer der verbotenen Oppositionsgruppe Demokratische Front Iran. Sotudeh vertrat auch die iranische Menschenrechtsaktivistin und Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi. Als Mitglied der Organisation „Schritt für Schritt gegen die Todesstrafe“ (LEGAM) kämpfte Sotudeh für die Abschaffung der Todesstrafe im Iran. Jüngst verteidigte sie einige Frauen, die 2018 auf der Straße ihre Kopftücher abgenommen hatten, um gegen das rigide iranische Gesetz zu protestieren, das das Tragen eines Hijabs verlangt. Auch hat sich Sotudeh gegen die Todesstrafe für minderjährige Straftäter engagiert.

Ihr unermüdlicher Einsatz für die Gerechtigkeit hat Sotudeh seit 2010 mehrfach ins Gefängnis gebracht, auch in Einzelhaft. Im März 2019 wurde sie unter erfundenen Anschuldigungen, unter anderem „Schüren von Korruption und Prostitution“, zu 38 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt. Während der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 trat Sotudeh mehrfach in Hungerstreik, um gegen die andauernde willkürliche Inhaftierung politischer Gefangener unter katastrophalen Bedingungen in iranischen Gefängnissen zu protestieren.

Sotudehs Beharren auf Rechtsstaatlichkeit und ihr unnachgiebiger Kampf gegen Unterdrückung haben sie zu einem Symbol des Kampfes für Gerechtigkeit im Iran gemacht.

 

Biografische Daten

Geburtsort: Teheran, Iran

Geburtsdatum: 29. Mai 1963

Ausbildung: Shahid-Beheshti-Universität (Master-Abschluss in Völkerrecht)

Ausführliche Biografie

Nasrin Sotudeh ist Menschenrechtsanwältin und bekannte Aktivistin für Gerechtigkeit und Rechtstaatlichkeit im Iran. In den vergangenen 15 Jahren hat Sotudeh zahlreiche politische Gefangene, oppositionelle Aktivist*innen und Journalist*innen sowie von den iranischen Behörden verfolgte Menschen- und Frauenrechtler*innen verteidigt. Durch ihr Beharren auf den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und ihr Eintreten gegen Unterdrückung wurde sie zu einem Symbol des Kampfes um Gerechtigkeit im Iran.

Als Verfechterin der Menschenrechte und politischen Freiheiten geriet sie immer wieder ins Visier der Behörden und wurde von diesen drangsaliert. Mehrfach wurde sie unter konstruierten politischen Anschuldigungen festgenommen und inhaftiert. Ihren Einsatz für die Verwirklichung der Menschenrechte setzte sie ungeachtet dieser Schikanen fort und erhielt internationale Anerkennung für ihre Arbeit. Derzeit verbüßt sie als Folge ihres Engagements eine längere Haftstrafe.

Kampf um Gerechtigkeit in einem ungerechten System

Seit 2003, als sie endlich ihre Zulassung erhielt, arbeitet Sotudeh als Menschenrechtsanwältin. Acht Jahre lang hatte das iranische Ministerium für Nachrichtenwesen nach ihrem Examen 1995 diese Lizenz blockiert. Zuvor war sie als Journalistin für reformorientierte Zeitungen im Iran tätig.

Unter dem repressiven Regime des Landes werden politische Freiheiten und Menschenrechte stark eingeschränkt. Regelmäßig wenden iranische Behörden tödliche Gewalt, Folter und Misshandlung an, um Kritiker*innen zum Schweigen zu bringen und jegliche Opposition niederzuschlagen. Die Todesstrafe wird nach wie vor angewendet. Laut Amnesty International hat der Iran allein im Jahr 2019 mehr als 250 Menschen hingerichtet; das ist weltweit die zweithöchste Zahl nach China.

Aufgrund seines repressiven Regimes ist der Iran eines der gefährlichsten Länder für Menschenrechtler*innen, insbesondere für Frauen. Oppositionelle Aktivistinnen und Aktivisten, etwa reformorientierte oder säkuläre Politiker*innen, Journalist*innen, Studierende und Anwält*innen werden häufig Opfer von willkürlichen Verhaftungen, Misshandlung im Gefängnis und drakonischen Strafen.

Sotudeh ist eine herausragende Verfechterin der Rechtsstaatlichkeit im Iran. Ihre Arbeit und die ihrer Mitstreiter*innen hat die Anwendung ordentlicher Rechtsverfahren für alle Bürgerinnen und Bürger, einschließlich der aus Gewissensgründen Inhaftierten, und die Einhaltung der internationalen Verpflichtungen der Islamischen Republik in Bezug auf Menschenrechte und die Gleichstellung von Frauen zum Ziel. In diesem Zusammenhang hat Sotudeh unfaire Gerichtsverfahren des Islamischen Revolutionsgerichts kritisiert und sich gegen diese starkgemacht. Bei diesem handelt es sich um ein Sondergerichtssystem zur Verfolgung von Gegner*innen der islamischen Regierung; seine Verhandlungen sind geheim.

Sotudeh ist eine der führenden Stimmen im Widerstand gegen das Knebeln der politischen Opposition und die willkürliche Verfolgung von Menschen- und Frauenrechtler*innen. Insbesondere vertrat sie die iranische Friedensnobelpreisträgerin Schirin Ebadi, als deren Vermögen nach den Wahlen 2009 beschlagnahmt wurde. Ebadi lebt seitdem im Exil. Sie bezeichnete Sotudeh als „die Rechtsanwältin, die so viele von uns Menschenrechtler*innen anriefen, wenn die Regierung uns wieder einmal drangsalierte oder eine*n von uns oder eines unserer Familienmitglieder ins Gefängnis steckte“.

Verteidigung politischer Aktivist*innen und der Schwächsten der Gesellschaft

Während in den meisten Ländern die rechtliche Vertretung von Angeklagten die Norm ist, kann im Iran der bloße Akt der Solidarisierung mit jenen, die sich gegen das Regime stellen, zu brutalen Vergeltungsmaßnahmen führen. Umso mutiger ist Sotudehs Entscheidung, politischen Aktivist*innen und Dissident*innen Rechtsbeistand zu leisten.

Besonders aktiv wurde Sotudeh nach der Niederschlagung der Proteste anlässlich der iranischen Präsidentschaftswahlen 2009, der sogenannten „Grünen Revolution“. Sie verteidigte zahlreiche Aktivistinnen und Aktivisten, die während der Demonstrationen verhaftet worden waren, darunter Heshmat Tabarzadi, den Chef der verbotenen Oppositionsgruppe Demokratische Front des Iran.

Auch ist Sotudeh entschlossene Fürsprecherin für die schwächsten Bevölkerungsgruppen im Iran: Frauen und Kinder. Sie ist in der iranischen Frauenrechtsbewegung aktiv, einschließlich der Kampagne „Eine Million Unterschriften“, die 2006 ins Leben gerufen wurde, um diskriminierende Gesetze zu ändern. Auch vertrat sie mehrere Frauenrechtsaktivistinnen vor Gericht. Im Jahr 2018 protestierten eine Reihe junger Frauen gegen die Gesetze zum verpflichtenden Tragen des Hijab und legten dafür öffentlich ihre Kopftücher ab – man nannte sie „Die Mädchen der Revolutionsstraße“. Sie wurden festgenommen, im Polizeigewahrsam geschlagen und der „Erregung öffentlichen Ärgernisses“ und der „Ermutigung zur Unmoral der Prostitution“ angeklagt. Sotudeh nannte die Proteste der Frauen einen „Akt zivilen Ungehorsams“ und verteidigte drei von ihnen vor Gericht.

Zu weiteren namhaften Aktivistinnen und Aktivisten, die Sotudeh im Laufe der Jahre verteidigte, zählen die Frauenrechtsaktivistinnen Mansoureh Shojaee, Parvin Ardalan und Mahboubeh Abbasgholizadeh; die Journalisten Morteza Kazemian, Issa Saharkhiz und Omid Memarian; der studentische Aktivist Zia Nabavi und die Künstlerin Parastou Forouhar.

Ein weiteres wichtiges Anliegen ist Sotudeh der Kampf gegen die Todesstrafe, insbesondere im Fall zum Tode verurteilter Minderjähriger, was gegen die internationalen Menschenrechtsnormen verstößt. So verteidigte sie eine Reihe von Minderjährigen, die wegen angeblichen Mordes zum Tode verurteilt worden waren, bevor sie 18 Jahre alt waren. Sie organisierte zudem außergerichtliche Aktivitäten zur Rettung von zum Tode verurteilter Jugendlicher, von denen mehrere erfolgreich waren. Sotudeh ist Mitglied der Nichtregierungsorganisation „Schritt für Schritt die Todesstrafe stoppen“ (LEGAM). Diese wurde 2013 gegründet und strebt eine schrittweise Abschaffung der Todesstrafe an, vor allem durch die Änderung der einschlägigen iranischen Gesetze.

Verfolgung und Inhaftierung

Wegen ihres aktivistischen Engagements ist Sotudeh mehrfach ins Visier der iranischen Behörden geraten. Im September 2010 wurde sie zum ersten Mal verhaftet und der „Verbreitung von Propaganda gegen den Staat“ und „heimlichen Absprachen und Zusammenkünften mit dem Ziel von Angriffen auf die nationale Sicherheit“ beschuldigt. Daraufhin wurde sie zu 11 Jahren Haft verurteilt, außerdem zu einem 20-jährigen Berufsverbot als Anwältin und einer 20-jährigen Beschränkung ihrer sozialen Rechte und Reisemöglichkeiten ins Ausland. Das Strafmaß wurde in der Berufung auf eine sechsjährige Haftstrafe und ein zehnjähriges Berufsverbot reduziert.

Während ihrer Haft wurde Sotudeh lange Phasen in Einzelhaft gehalten; oftmals wurde ihr der Kontakt mit ihrem Ehemann und ihren kleinen Kindern verweigert. Aus Protest gegen diese unmenschlichen Bedingungen trat sie mehrfach in den Hungerstreik. Nach ihrer ersten Inhaftierung 2010 führte der nationale und internationale Aufschrei über den Fall im September 2013 zu ihrer Freilassung.

Ab Anfang Oktober 2014 organisierte sie aus Protest gegen die Aussetzung ihrer Anwaltslizenz neun Monate lang Sitzstreiks vor der Anwaltskammer in Teheran. Schließlich wurde ihre Suspendierung auf neun Monate verkürzt und somit aufgehoben.

Im Juni 2018 wurde Sotudeh erneut verhaftet, nachdem ihr ein 2016 in Abwesenheit ergangener Gerichtsbeschluss wegen angeblicher „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“ zugestellt worden war, in dem sie zu fünf Jahren Haft verurteilt wurde. Kurz vor ihrer Verhaftung hatte Sotudeh gegen eine Entscheidung der iranischen Justiz protestiert, nur einer Gruppe von 20 vorab ausgewählten Anwält*innen die Vertretung politischer Fälle zu erlauben. Dem wurden weitere Anklagepunkte hinzugefügt, darunter sowohl offenkundig unzutreffende als auch politisch motivierte, beispielsweise die Gefährdung der Sicherheit des Landes durch Versammlungen sowie „Korruption und Prostitution“ – höchstwahrscheinlich als Reaktion auf ihre Verteidigung der Frauen, die während ihres Protests ihre Kopftücher abgelegt hatten.

Insgesamt wurde Sotudeh für diese „Verbrechen“ im März 2019 zu 38 Jahren Haft und 148 Peitschenhieben verurteilt. Gemäß einem neueren iranischen Gesetz wird sie nur die längste Haftstrafe für eine der Verurteilungen verbüßen, die sich aber dennoch auf zwölf Jahre beläuft. Ihre Haft verbringt sie im Evin-Gefängnis, einer der berüchtigsten Strafanstalten des Regimes für politische Gefangene, in dem zahlreiche Fälle von Folter und Menschenrechtsverletzungen dokumentiert wurden.

Das iranische Gefängnissystem ist von der Covid-19-Pandemie schwer betroffen. Infolgedessen wurden 85.000 Gefangene vorübergehend entlassen – nicht eingeschlossen allerdings Sotudeh und die Hälfte aller politischen Gefangenen, die wegen angeblicher Verbrechen gegen die nationale Sicherheit angeklagt worden waren. Während der Pandemie ist Sotudeh wiederholt in Hungerstreik getreten, um die Freilassung aller politischen Gefangenen zu fordern, die katastrophalen Haftbedingungen von Menschenrechtsverteidiger*innen und politischen Gefangenen im Land anzuprangern und die vielfachen Verletzungen von deren Rechten auf einen fairen Prozess zu verurteilen.

In ihrem fortgesetzten Kampf, selbst hinter Gittern, bleibt Sotudeh ein eindrückliches Symbol der Hoffnung auf eine fairere und gerechtere Gesellschaft im Iran.

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